Aktuelle Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu Abgrenzung von Meinungsfreiheit und Beleidigung von Polizisten: "Kollektivbeleidigung“ nur bei Bezug zu einer hinreichend überschaubaren und abgegrenzten Personengruppe

Beschluss vom 17. Mai 2016,

Die Kundgabe der Buchstabenkombination „ACAB“ im öffentlichen Raum ist vor dem Hintergrund der Freiheit der Meinungsäußerung nicht ohne weiteres strafbar. Dies hat die 3. Kammer des Ersten Senats in zwei heute veröffentlichten Beschlüssen entschieden. Die Verurteilung wegen Beleidigung gemäß § 185 Strafgesetzbuch (StGB) setzt voraus, dass sich die Äußerung auf eine hinreichend überschaubare und abgegrenzte Personengruppe bezieht; ansonsten ist der Eingriff in die Meinungsfreiheit nicht gerechtfertigt.

Sachverhalt:

  1. Beim Besuch eines Fußballspiels trug der Beschwerdeführer des Verfahrens 1 BvR 257/14 eine schwarze Hose, die im Gesäßbereich großflächig mit dem gut sicht- und lesbaren Schriftzug „ACAB“ bedruckt war. Nach dem Spiel verließ er das Stadion auf einem Weg, der an einigen dort eingesetzten Bereitschaftspolizisten vorbeiführte. Das Amtsgericht verurteilte den Beschwerdeführer wegen Beleidigung gemäß § 185 StGB. Die Berufung zum Landgericht und die Revision zum Oberlandesgericht blieben erfolglos.
  2. Der Beschwerdeführer im Verfahren 1 BvR 2150/14 hielt während eines Fußballspiels gemeinsam mit anderen Personen verschiedene großflächige Banner hoch. Ein Transparent trug die Aufschrift „Stuttgart 21 - Polizeigewalt kann jeden treffen“, ein weiteres war mit der Aufschrift „BFE ABSCHAFFEN“ versehen, wobei „BFE“ für die Beweis- und Festnahmeeinheiten der Polizei steht. Der Beschwerdeführer und vier weitere Personen trennten vier Buchstaben aus diesem Transparent heraus und hielten diese dann in der Formation „A C A B !“ hoch. Das Landgericht sprach den Beschwerdeführer der Beleidigung schuldig und verwarnte ihn, nachdem ein den Beschwerdeführer freisprechendes Urteil durch das Oberlandesgericht aufgehoben worden war. Die erneute Revision des Beschwerdeführers blieb erfolglos.

Weiter unter: http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/...

Quelle: Pressemitteilung Nr. 36/2016 vom 24. Juni 2016

Direkt zum Text des Beschlusses vom 17. Mai 2016: 1 BvR 257/14 1 BvR 2150/14