Juli 2010

30.07.2010

Sicherungsverwahrung: Justizministerin sorgt für einheitliche Rechtsprechung

 

Zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung bei Entscheidungen zur Sicherungsverwahrung (Divergenzvorlage) am 30. Juli 2010 erklärt Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger [am 29.7.2010]: Die morgen in Kraft tretende Rechtsänderung schafft mehr Rechtssicherheit und Rechtsklarheit im rechtspolitisch sensiblen Bereich der Sicherungsverwahrung.

An dem Urteil des EGMR kann nichts mehr geändert werden - die deutschen Gerichte müssen es beachten und umsetzen. Ich habe sehr zügig eine Gesetzesänderung auf den Weg gebracht, die durch eine Vorlagepflicht an den Bundesgerichtshof für eine einheitliche Rechtsprechung und damit auch Rechtspraxis sorgt. Nach dem Urteil des EGMR müssen die zuständigen Gerichte in jedem Einzelfall prüfen, ob ein Straftäter aus der Sicherungsverwahrung entlassen werden muss oder nicht. Bislang gibt es dazu einige sehr unterschiedliche Entscheidungen, die auf unterschiedlichen Rechtsauffassungen der Gerichte beruhen - es kommt zu Entlassungen von Straftätern, es werden aber auch Anträge auf Entlassung abgelehnt. Gerade bei solchen Fragen ist eine einheitliche Linie in der Rechtsprechung besonders wichtig. Deshalb habe ich durchgesetzt, dass Fälle, in denen ein Gericht von der Rechtsauffassung eines anderen Gerichts abweichen will, dem Bundesgerichtshof vorgelegt werden müssen, der dann über die Frage der Sicherungsverwahrung verbindlich entscheidet. Ich freue mich, dass sich auch alle verantwortlichen Landesjustizminister für diese Neuregelung ausgesprochen haben.

Zum Hintergrund:
Mit der so genannten Divergenzvorlage sollen vor allem die Fälle rasch geklärt werden, in denen die zuständigen Gerichte das EGMR-Urteil vom 17. Dezember 2009 berücksichtigen müssen. Der EGMR hat festgestellt, dass die rückwirkende Verlängerung einer zunächst auf zehn Jahre begrenzten Sicherungsverwahrung auf unbestimmte Zeit gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstößt. Unter den Oberlandesgerichten hat sich eine uneinheitliche Linie hinsichtlich der Rechtsfrage abgezeichnet, ob das Urteil des EGMR zwingend berücksichtigt werden muss. Künftig muss ein OLG, das in dieser Frage von einer anderen OLG -Entscheidung, die nach dem 1. Januar 2010 (Stichtag) ergangen ist, abweichen will, die Sache dem Bundesgerichtshof vorlegen. In der Praxis bedeutet dies, dass der erste Fall, mit dem ein OLG nach Inkrafttreten der Regel befasst ist, vom Bundesgerichtshof verbindlich entschieden wird. Ziel ist es, eine unterschiedliche Rechtspraxis bei gleichgelagerten Fällen zu vermeiden.

(Quelle: Pressmeldung des Referates Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Bundesministeriums der Justiz vom 29. Juli 2010. Verantwortlich: Anders Mertzlufft; Redaktion: Dr. Thorsten Bauer, Harald Schütt, Ulrich Staudigl, Mohrenstr. 37, 10117 Berlin, Telefon 030/18 580 9030, Telefax 030/18 580 9046, presse@bmj.bund.de)


 

27.07.2010

"Raser" dürfen im Straßenverkehr weiter "geblitzt" werden:

Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu Geschwindigkeitskontrollen mit Lichtbildaufnahmen

 

Der Beschwerdeführer wurde vom Amtsgericht wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften zu einer Geldbuße verurteilt. Die Verurteilung stützt sich auf das Ergebnis der Geschwindigkeitsmessung mittels einer geeichten Messeinrichtung sowie die im Rahmen des Messverfahrens gefertigten Lichtbilder, auf denen der Beschwerdeführer zu erkennen ist. Das Oberlandesgericht verwarf dessen Rechtsbeschwerde als unbegründet.

Seine hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde hat die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts nicht zur Entscheidung angenommen. Die Verfassungsbeschwerde hat weder grundsätzliche Bedeutung noch liegt eine Verletzung des Beschwerdeführers in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG vor.

Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die Gerichte die Vorschrift des § 100h Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO als Rechtsgrundlage für die Anfertigung von Bildaufnahmen zum Beweis von Verkehrsverstößen herangezogen haben. Die Norm erlaubt die Anfertigung von Bildaufnahmen ohne Wissen des Betroffenen, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise weniger Erfolg versprechend oder erschwert wäre. Auch die Auslegung und Anwendung dieser Norm durch die Fachgerichte zeigt keine Verletzung spezifischen Verfassungsrechts. Eine Bildaufnahme, bei der Fahrer und Kennzeichen seines Fahrzeugs identifizierbar sind, stellt zwar einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar. Der Zweck derartiger Maßnahmen der Verkehrsüberwachung, nämlich die Aufrechterhaltung der Sicherheit des Straßenverkehrs, rechtfertigt jedoch eine Beschränkung der grundrechtlichen Freiheiten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich nicht um verdeckte Datenerhebungen handelt, sondern nur Vorgänge auf öffentlichen Straßen aufgezeichnet werden, die für Jedermann wahrnehmbar sind. Die Maßnahme zielt zudem nicht auf Unbeteiligte, sondern ausschließlich auf Fahrzeugführer, die selbst Anlass zur Anfertigung von Bildaufnahmen gegeben haben, da der Verdacht eines bußgeldbewehrten Verkehrsverstoßes besteht. Schließlich entfaltet die Maßnahme über die Ahndung der Verkehrsordnungswidrigkeit hinaus grundsätzlich keine belastenden Wirkungen für den Betroffenen. Denn es bestehen in § 101 StPO hinreichende grundrechtssichernde Verfahrensvorschriften über die Benachrichtigung sowie zur Kennzeichnung und Löschung von Daten. Vor diesem Hintergrund und angesichts des bezweckten Schutzes der Allgemeinheit vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben im Straßenverkehr bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit der in Rede stehenden verkehrsrechtlichen Maßnahme.

Beschluss vom 5. Juli 2010 – Volltext verfügbar unter: 2 BvR 759/10

(Quelle:Pressestelle des BVerfG; Pressemitteilung Nr. 51/2010 vom 20. Juli 2010)


 

23.07.2010

Neue Resultate im Portal Statistik Schweiz

Bereich: Kriminalität und Strafrecht

 

Vollzug von Strafen 2008
Die Strafvollzugsstatistiken 2008 sind aktualisiert worden.
Die Tabellen mit detaillierten Daten können unter Statistik Schweiz - Vollzug von Sanktionen herunter geladen werden.

Straf- und Massnahmenvollzug 2008
Detaillierte Daten zu den Einweisungen, zum Bestand und den Entlassungen 2008 können unter Statistik Schweiz - Strafvollzug herunter geladen werden.

Wiederverurteilung nach Entlassung aus dem Strafvollzug
Rückfallraten zu den 2005 aus dem Strafvollzug entlassenen und bis 2008 wiederverurteilten Personen finden sich unter Statistik Schweiz – Rückfall: entlassene Personen.

Gemeinnützige Arbeit
Mit der Revision des Strafgesetzbuches 2007 wird die gemeinnützige Arbeit als Strafe vom Richter ausgesprochen.
Die Zahlen zu den Einsätzen in gemeinnütziger Arbeit 2009 finden sich unter Statistik Schweiz - Gemeinnützige Arbeit.

Elektronisch überwachter Strafvollzug 2009
In acht Kantonen können Personen ihre Freiheitsstrafen oder einen Teil davon zu Hause verbüssen.
Die neusten Daten 2009 sind unter Statistik Schweiz - Elektronisch überwachter Strafvollzug verfügbar.

(Quelle: Mitteilung des Bundesamts für Statistik der Schweiz - BfS - vom 19.7.2010)


 

20.07.2010

Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls

12 200 Sorgerechtsentzüge durch die Familiengerichte im Jahr 2009

 

WIESBADEN - Weil eine Gefährdung des Kindeswohls anders nicht abzuwenden war, haben die Gerichte in Deutschland im Jahr 2009 in rund 12 200 Fällen den vollständigen oder teilweisen Entzug der elterlichen Sorge angeordnet. Dies teilt das Statistische Bundesamt (Destatis) mit. Rechtsgrundlage für diese Maßnahme ist § 1666 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).

In rund 9 500 Fällen übertrugen die Gerichte das Sorgerecht ganz oder teilweise auf die Jugendämter, in den übrigen Fällen einer Einzelperson oder einem Verein.

Bei einem teilweisen Entzug der elterlichen Sorge wird zum Beispiel das Aufenthaltsbestimmungsrecht oder die Vermögenssorge entzogen.

Bei der Übertragung des teilweisen Sorgerechts an ein Jugendamt wurde in 2 300 Fällen (24%) nur das Aufenthaltsbestimmungsrecht zugesprochen. Mit dem Aufenthaltsbestimmungsrecht ist die Befugnis verbunden, Entscheidungen des alltäglichen Lebens zu treffen.

Die Zahl der gerichtlichen Maßnahmen zum Sorgerechtsentzug ist deutschlandweit gegenüber 2008 leicht zurückgegangen (- 0,7%). In den einzelnen Bundesländern gab es dagegen teilweise gravierende Veränderungen. Rückgängen zwischen 25% und 36% in Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Bremen und Berlin stehen Anstiege zum Beispiel in Bayern (14%), Schleswig-Holstein (16%), Brandenburg (18%) und dem Saarland (31%) gegenüber.

Weitere kostenlose Informationen gibt es im Publikationsservice des Statistischen Bundesamtes unter www.destatis.de/publikationen unter dem Suchwort "Sorgerecht".

Eine zusätzliche Tabelle bietet die Online-Fassung dieser Pressemitteilung unter www.destatis.de.

Weitere Auskünfte gibt: Zweigstelle Bonn,Dorothee von Wahl,Telefon: (0611) 75-8167,E-Mail: jugendhilfe@destatis.de

(Quelle: Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes Nr. 250 vom 15.07.2010)

 
 

Gerichtliche Maßnahmen zum vollständigen oder teilweisen Entzug der elterlichen Sorge in Deutschland 2008 und 2009

 

Land
Gerichtliche Maßnahmen zum vollständigen oder teilweisen Entzug der elterlichen Sorge
2009
2008
Veränderung in %
Baden-Württemberg 924 1 010 – 8,5
Bayern  1 649 1 441 14,4
Berlin 644 1 007 – 36,0
Brandenburg 431 364 18,4
Bremen 65 93 – 30,1
Hamburg 387 516 – 25,0
Hessen 810 843 – 3,9
Mecklenburg-Vorpommern 162 228 – 28,9
Niedersachsen 1 083 1 274 – 15,0
Nordrhein-Westfalen 3 556 3 209 10,8
Rheinland-Pfalz 768 687 11,8
Saarland 195 149 30,9
Sachsen 585 522 12,1
Sachsen-Anhalt 286 340 – 15,9
Schleswig-Holstein 360 310 16,1
Thüringen 259 251 3,2
Deutschland 12 164 12 244 – 0,7

 


 

19.07.2010

Erstmals mehr als 16 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland

Ergenisse des Mikrozensus 2009

 

WIESBADEN - Im Jahr 2009 hat die Bevölkerung mit Migrationshintergrund in Deutschland erstmals den Wert von 16 Millionen überschritten; dies zeigen die vom Statistischen Bundesamt (Destatis) veröffentlichten Zahlen aus dem Mikrozensus. Im Jahr 2005 hatte die Zahl noch bei 15,3 Millionen gelegen. Der Anteil der Bevölkerung mit Migrationshintergrund hat entsprechend von 18,6% auf 19,6% zugenommen. Dieser Anstieg speist sich aus zwei Quellen: Von 2005 bis 2009 ist die Bevölkerung mit Migrationshintergrund durch Zuzug und Geburten um 715 000 angewachsen und die Bevölkerung ohne Migrationshintergrund ist sterblichkeitsbedingt um 1,3 Millionen zurückgegangen.

Die Bevölkerung mit Migrationshintergrund besteht aus den seit 1950 nach Deutschland Zugewanderten und deren Nachkommen. Für ihre Bestimmung werden Angaben zum Zuzug nach Deutschland, zur Staatsangehörigkeit und zur Einbürgerung verwendet. Im Abstand von vier Jahren fragt der Mikrozensus auch nach dem Migrationsstatus der nicht im Haushalt lebenden Eltern. Dadurch konnte im Jahr 2005 bei 277 000 und 2009 bei 345 000 Personen ein Migrationshintergrund identifiziert werden, der in den anderen Jahren nicht erkennbar ist. Ohne Berücksichtigung dieser Personengruppe hat die Bevölkerung mit Migrationshintergrund im Jahr 2009 gegenüber 2008 um 137 000 auf 15,7 Millionen zugenommen.

2009 machen die 7,2 Millionen Ausländerinnen und Ausländer 8,8% der Bevölkerung aus, die 8,5 Millionen Deutschen mit Migrationshintergrund dagegen 10,4%. Gegenüber 2005 ist die Zahl der Ausländerinnen und Ausländer um 96 000 zurückgegangen, die der Deutschen mit Migrationshintergrund ist um 811 000 angestiegen.

Mit 10,6 Millionen stellen die seit 1950 Zugewanderten - die "Bevölkerung mit eigener Migrationserfahrung" - wie schon in den Vorjahren zwei Drittel aller Personen mit Migrationshintergrund; unter ihnen sind die Ausländerinnen und Ausländer mit 5,6 Millionen gegenüber den Deutschen mit 5,0 Millionen in der Mehrheit. 3,3 Millionen dieser 5,0 Millionen Deutschen geben an, als Aussiedler beziehungsweise Spätaussiedler oder als dessen Ehegatte oder Kind nach Deutschland eingereist zu sein.

Die in Deutschland geborene "Bevölkerung ohne eigene Migrationserfahrung" verändert sich - wie schon in den Vorjahren - weiter in ihrer Zusammensetzung. Die Ausländerinnen und Ausländer dieser Gruppe stellen mit 1,6 Millionen weiterhin 2% der Bevölkerung, die 3,8 Millionen hier geborenen Deutschen mit Migrationshintergrund dagegen 4,7%.

Europa ist für die Zuwanderung nach Deutschland von besonderer Bedeutung: es stellt 70,6% der 10,6 Millionen Zuwanderer, gefolgt von Asien/Ozeanien mit 16,4%. Aus den 27 Mitgliedsländern der Europäischen Union kommen 32,3%.

Gut 3,0 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund haben ihre Wurzeln in der Türkei, 2,9 Millionen in den Nachfolgstaaten der ehemaligen Sowjetunion, 1,5 Millionen in den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawiens und knapp 1,5 Millionen in Polen. Die Gastarbeiter-Anwerbeländer ohne Jugoslawien und die Türkei stellen zusammen 1,7 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund. Hier haben Italien mit 830 000 vor Griechenland mit 403 000 die höchsten Werte und Portugal mit 171 000 nach Spanien mit 172 000 die niedrigsten. Mit 1,4 Millionen kommen die meisten (Spät-)Aussiedler aus den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion - vor allem aus der Russischen Föderation (589 000) und aus Kasachstan (483 000); daneben sind Polen (585 000) und Rumänien (233 000) wichtige Herkunftsländer.

Insgesamt 978 000 Menschen mit Migrationshintergrund lassen sich nicht eindeutig nach Herkunftsländern zuordnen, zum Beispiel weil sie die Staatsangehörigkeit vor Zuzug als (Spät-)Aussiedler nicht angegeben haben, oder weil sie als Deutsche mit beidseitigem Migrationshintergrund Eltern aus unterschiedlichen Herkunftsländern haben.

In vielen Aspekten lassen sich Unterschiede in der strukturellen Zusammensetzung der beiden Bevölkerungsgruppen mit beziehungsweise ohne Migrationshintergrund feststellen:

So sind Personen mit Migrationshintergrund deutlich jünger als jene ohne Migrationshintergrund (34,7 gegenüber 45,6 Jahre), weitaus häufiger ledig (45,8% gegenüber 38,3%), und der Anteil der Männer unter ihnen ist höher (50,3% gegenüber 48,7%). Sie leben bevorzugt im früheren Bundesgebiet beziehungsweise in Berlin (96,2% gegenüber 81,2%). Ein fehlender allgemeiner Schulabschluss ist bei ihnen ebenso häufiger anzutreffen (14,0% gegenüber 1,8%) wie ein fehlender beruflicher Abschluss (42,8% gegenüber 19,2%).

Menschen mit Migrationshintergrund im Alter von 25 bis 65 Jahren sind etwa doppelt so häufig erwerbslos als jene ohne (12,7% gegenüber 6,2% aller Erwerbspersonen) oder gehen ausschließlich einer geringfügigen Beschäftigung nach, zum Beispiel einem Minijob (11,5% gegenüber 7,0% aller Erwerbstätigen).

Die globale Wirtschaftskrise hat Menschen mit und ohne Migrationshintergrund getroffen. So ist die Erwerbslosenquote im Jahr 2009 im Vergleich zum Vorjahr um 0,7 beziehungsweise 0,3 Prozentpunkte angestiegen; allerdings hat sich gleichzeitig die Armutsgefährdung um 0,4 beziehungsweise 0,6 Prozentpunkte verringert.

Trotzdem betrifft das Armutsrisiko auch 2009 noch Menschen mit Migrationshintergrund deutlich stärker als jene ohne. 25,2% aller sogenannter "Lebensformen" (Alleinstehende, Alleinerziehende sowie alle Paare mit und ohne Kinder) sind armutsgefährdet, wenn der Haupteinkommensbezieher einen Migrationshintergrund hat, aber nur 11,1%, wenn dies nicht der Fall ist.

Weitere Informationen bietet die Fachserie 1 Reihe 2.2 "Bevölkerung mit Migrationshintergrund", die kostenfrei im Publikationsservice von Destatis erhältlich ist.

Weitere Auskünfte gibt: Dr. Gunter Brückner, Telefon: (0611) 75-4365, E-Mail: migration@destatis.de
(Quelle: Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes Nr. 248 vom 14.07.2010)


 

15.07.2010

Mehr Inobhutnahmen durch Jugendämter im Jahr 2009

 

WIESBADEN - Im Jahr 2009 haben die Jugendämter in Deutschland 33 700 Kinder und Jugendliche in Obhut genommen. Das sind rund 1 500 (+ 4,5%) mehr als 2008. Gegenüber dem Jahr 2004 beträgt die Steigerung 30%. Dies teilt das Statistische Bundesamt (Destatis) mit.

Eine Inobhutnahme ist eine kurzfristige Maßnahme der Jugendämter zum Schutz von Kindern und Jugendlichen, die sich in einer akuten, sie gefährdenden Situation befinden. Jugendämter nehmen Minderjährige auf deren eigenen Wunsch oder auf Grund von Hinweisen Anderer (etwa der Polizei oder von Erziehern und Erzieherinnen) in Obhut und bringen sie in einer geeigneten Einrichtung unter, etwa in einem Heim.

Knapp 9 000 (27%) der in Obhut genommenen Kinder und Jugendlichen waren zuvor aus der eigenen Familie, einem Heim oder einer Pflegefamilie ausgerissen. Der Anteil der Ausgerissenen lag bei Mädchen höher (30%) als bei Jungen (22%). Der Anteil der jungen Ausreißerinnen und Ausreißer ist in den letzten Jahren allerdings zurückgegangen, so betrug er 2004 noch insgesamt 34% (Mädchen 37% und Jungen 30%).

Stark zugenommen hat die Zahl der Jugendlichen, die aufgrund einer unbegleiteten Einreise aus dem Ausland in Obhut genommen wurden. Betraf dies im Jahr 2008 noch 1 100 Jugendliche, waren es 2009 bereits 1 950, eine Steigerung um 77%. Auffällig ist, dass es sich zu 83% um männliche Jugendliche handelte.

Weitere kostenlose Informationen gibt es im Publikationsservice des Statistischen Bundesamtes unter www.destatis.de/publikationen, Suchwort "Inobhutnahmen".

Weitere Auskünfte gibt: Zweigstelle Bonn, Dorothee von Wahl, Telefon: (0611) 75-8167, E-Mail: jugendhilfe@destatis.de

(Quelle: Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes, Nr. 246, vom 13. Juli 2010)


 

13.07.2010

Aktuelle Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts:

Keine sofortige Freilassung eines Straftäters aus der Sicherungsverwahrung

Ablehnung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung

 

Der wegen zahlreicher schwerer Sexualstraftaten - insbesondere wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern und Vergewaltigung - vorbestrafte Beschwerdeführer wendet sich mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung, die anlässlich seiner letzten Verurteilung vom 2. Februar 1990 wegen versuchter Vergewaltigung und wegen Mordes nachträglich gemäß § 66b Abs. 2 StGB angeordnet worden ist. Im Hinblick auf das zwischenzeitlich rechtskräftige Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17. Dezember 2009 beantragt er, die Vollziehung der Maßregel im Wege der einstweiligen Anordnung auszusetzen.

Die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Die durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur Sicherungsverwahrung aufgeworfenen Rechtsfragen sind im Hauptsacheverfahren zu klären.

Das Bundesverfassungsgericht kann im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Dabei sind die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abzuwägen, die entstünden,
wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde aber der Erfolg zu versagen wäre.

Diese Folgenabwägung führt im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, dass eine sofortige Freilassung des Beschwerdeführers nicht geboten ist. Wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber später Erfolg hätte, entstünde dem Beschwerdeführer zwar in der
Zwischenzeit durch den Vollzug der Sicherungsverwahrung ein schwerer, nicht wieder gutzumachender Verlust an persönlicher Freiheit. Das Landgericht jedoch hat auf der Grundlage zweier psychiatrischer Sachverständigengutachten nachvollziehbar dargelegt, dass der Beschwerdeführer einen Hang zu schweren Sexualstraftaten (sexueller Missbrauch von Kindern, Vergewaltigung) habe und deshalb im Falle seiner Freilassung mit hoher Wahrscheinlichkeit entsprechende Delikte verüben werde, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schweren Schaden nehmen würden. Angesichts der besonderen Schwere der drohenden Straftaten überwiegt das Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit das Interesse des Beschwerdeführers an der Wiedererlangung seiner persönlichen Freiheit.

(Quelle: Pressemitteilung der Pressestelle des Bundesverfassungsgereichts, Nr. 49/2010, vom 13. Juli 2010)

Der gesamte Text des Beschlusses vom 30. Juni 2010 kann unter folgender URL abgerufen werden: 2 BvR 571/10