August 2012

29.08.2012

Gewerbsmäßig assistierter Suizid

Verbot soll ethisch verantwortungsvoll diskutiert werden

 

Zu dem am 29.08.2012 vom Bundeskabinett beschlossenen Gesetzentwurf zur Strafbarkeit der gewerbsmäßigen Förderung der Selbsttötung erklärt Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger:

Zur Umsetzung der Koalitionsvereinbarung habe ich einen Vorschlag gemacht, der heute vom Bundeskabinett verabschiedet wurde. Die gewerbsmäßige, auf Gewinnerzielung ausgerichtete Hilfe zum frei verantwortlichen Suizid soll strafrechtlich verboten werden.

Als "Erwerbsmodell" würde Suizidhilfe sonst zur gewöhnlichen, auf Ausdehnung angelegten „Dienstleistung“, die Menschen dazu verleiten kann, sich das Leben zu nehmen, obwohl sie dies ohne das kommerzielle Angebot vielleicht nicht getan hätten. Letztlich hätten möglicherweise gerade alte und kranke Menschen sogar das Gefühl, dieses „Angebot“ in Anspruch nehmen zu müssen, um ihrem Umfeld nicht zur Last zu fallen. Der Umgang mit dem Sterben gehört zu den schwierigsten ethischen Themen, die eine Gesellschaft kennt.

Eine sehr enge Ausnahme der Strafbarkeit sieht der heute beschlossene Entwurf für Angehörige und andere dem Sterbewilligen nahestehende Personen vor. Ehe- und Lebenspartner, die nach womöglich jahrzehntelangem Zusammenleben den geliebten, todkranken und schwer leidenden Partner auch auf dem Weg zum gewerbsmäßig handelnden Sterbehelfer nicht allein lassen, sondern bis zum Tod begleiten wollen, sollen nicht plötzlich als „Gehilfe“ des Suizidhelfers kriminalisiert werden, obwohl sie selbst überhaupt nicht gewerbsmäßig handeln. Denn Angehörige oder enge Freunde, die dem Sterbenskranken – vergleichbar einem Angehörigen – besonders emotional nahe stehen und die er als Stütze in dieser letzten, existenziellen Krise seines Lebens bei sich wissen will, verdienen in der Regel unseren Respekt, jedenfalls keine Strafandrohung. Nur diese enge Ausnahme von der vorgesehenen neuen Strafbarkeit enthält der Entwurf. Von einer Ausweitung der Suizidhilfe kann daher keine Rede sein, vielmehr stellt der Entwurf unter Strafe, was bislang nicht strafbar war.

Zum Hintergrund:
Das Bundeskabinett hat heute [am 29.8.2012] einen Gesetzentwurf der Bundesjustizministerin verabschiedet, der die gewerbsmäßige Förderung der Selbsttötung unter Strafe stellt. Konkret wird die „gewerbsmäßige“, also mit Gewinnerzielungsabsicht und auf Wiederholung ausgerichtete Förderung der Selbsttötung in Form des Gewährens, Verschaffens oder Vermittelns einer Gelegenheit zur Selbsttötung kriminalisiert. Damit wird eine Vereinbarung aus dem 2009 geschlossenen Koalitionsvertrag 1:1 umgesetzt.

Nach der geltenden Rechtslage sind die eigenverantwortliche Selbsttötung und die Beihilfe zu ihr straflos. Dieses Regelungskonzept hat sich grundsätzlich bewährt. Es bedarf jedoch dort einer Korrektur, wo eine kommerzialisierte Suizidhilfe dazu führen kann, dass sich Sterbehilfe als normale Dienstleistung darstellt, die Menschen dazu verleiten kann, sich das Leben zu nehmen, obwohl sie dies ohne das kommerzielle Angebot nicht getan hätten.

Der vorgelegte Gesetzentwurf will die Folgen der Kommerzialisierung verhindern, indem er die gewerbsmäßige Suizidhilfe unter Strafe stellt. Damit wird ein Teilausschnitt der Sterbehilfe nunmehr erstmalig unter Strafe gestellt und gerade nicht für bestimmte Berufsgruppen – wie etwa die Ärzte – legalisiert. Neues Strafrecht wird geschaffen, nicht eingeschränkt.

Gleichzeitig stellt der Entwurf sicher, dass der gerechtfertigte Behandlungsabbruch (früher oftmals bezeichnet als „passive Sterbehilfe“), bei dem entsprechend dem freiverantwortlichen Willen des Patienten eine medizinische Behandlung unterlassen oder beendet wird, um dem Krankheitsprozess seinen Lauf zu lassen, obwohl dies zum Tode führt, straffrei bleibt. Ebenfalls straffrei bleibt eine ärztlich gebotene schmerzlindernde Medikation bei einem Sterbenden, die als unbeabsichtigte, aber unvermeidbare Nebenfolge den Todeseintritt beschleunigt (so genannte „indirekte Strebehilfe“).

Darüber hinaus soll durch die Regelungen in dem Entwurf nicht diejenige Suizidhilfe kriminalisiert werden, die zum Beispiel im engsten Familienkreis in einer schwierigen und existentiellen Konfliktsituation aus rein altruistischen Gründen gewährt wird. Daher werden Personen, die zugunsten eines Angehörigen oder einer anderen ihnen nahestehenden Person an der Tat des Suizidhelfers teilnehmen, ohne selbst gewerbsmäßig zu handeln, ausdrücklich straffrei gestellt. Ehe- und Lebenspartner, die nach jahrzehntelangem Zusammenleben den geliebten, todkranken und schwer leidenden Partner zum gewerblich handelnden Sterbehelfer fahren, sollen nach wie vor nicht bestraft werden. Denn ihr Verhalten basiert in dieser extremen Konfliktsituation in der Regel auf – wenn auch von Verzweiflung geprägter – Liebe und Zuneigung und ist Ausdruck einer intimen zwischenmenschlichen Verbindung, in der der Staat nichts zu suchen hat. Dies soll auch für andere dem Suizidwilligen nahestehende Personen gelten, deren auf Dauer angelegte zwischenmenschliche Beziehung ähnliche Solidaritätsgefühle wie unter Angehörigen hervorruft und bei denen deshalb der Suizidwunsch des anderen zu einer vergleichbaren emotionalen Zwangslage führt.

(Quelle: Pressemitteilung des Referats Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Bundesministeriums der Justiz vom 29.08.2012. Verantwortlich: Anders Mertzlufft; Redaktion: Mareke Aden, Dr. Wolf Albin, Hendrik Wieduwilt, Anne Zimmermann, Mohrenstr. 37, 10117 Berlin Telefon 030/18 580 9090 Telefax 030/18 580 9046 presse@bmj.bund.de)


 

07.08.2012

Konventionswidrige Sicherungsverwahrung

Erneute Verurteilung der Bundesrepublik Deutschland durch den EGMR

Kerntenor der Entscheidung: Auch Täter mit Ausweisungsverfügung müssen Therapieangebote erhalten.

 

In dem Urteil Rangelov v. Deutschland (EGMR Nr. 5123/07) hat die 5. Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg am 22.3.2012 die
Bundesrepublik Deutschland in einem weiteren Kontext wegen einer konventionswidrigen Ausprägung der Sicherungsverwahrung verurteilt:

Leitsätze in der Formulierung der Redaktion HRRS:

1. Auch wenn eine in Sicherungsverwahrung genommene Person aus Deutschland auszuweisen ist, müssen ihr Therapieangebote gemacht werden, damit sie die Möglichkeit erhält, nicht mehr als gefährlich eingestuft zu werden. Eine nur auf die Ausweisung gestützte Verweigerung ist eine gegen Art. 14 EMRK verstoßende Konventionsverletzung.

2. Art. 14 EMRK verbietet in Anknüpfung an die von der Konvention geschützten Rechte und Freiheiten Ungleichbehandlungen, die sich nicht durch objektivierbare und vernünftige Gründe rechtfertigen lassen. Zwischen der eintretenden Ungleichbehandlung und der geltend gemachten Rechtfertigung muss Verhältnismäßigkeit bestehen.

Der vollständige Entscheidungstext (in englischer Sprache) ist bei der elektronischen Fachzeitschrift HRRS unter folgender URL verfügbar: (EGMR HRRS 2012 Nr. 649)


 

07.08.2012

Ausländische Jugendliche in Deutschland

Rund 2/3 dieser Ju­gend­lichen sind in Deutsch­land ge­boren

 

"Zahl der Woche" von DESTATIS WIESBADEN
Zwei Drittel (67 %) aller 2011 in Deutschland lebenden ausländischen Jugendlichen im Alter von 14 bis unter 18 Jahren sind auch in Deutschland geboren. Dies teilt das Statistische Bundesamt (Destatis) anlässlich des Internationalen Tages der Jugend am 12. August mit.

Nach Auswertungen des Ausländerzentralregisters (AZR) zum Jahresende 2011 war nur jeder dritte ausländische Jugendliche zugewandert.
Die Mehrzahl der ausländischen Eltern entschied sich also für Kinder, nachdem sie nach Deutschland eingewandert waren.

Weitere Informationen enthält die Fachserie 1, Reihe 2 „Ausländische Bevölkerung 2011“.
https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/Bevoelkerung/Migrati...

Weitere Auskünfte gibt: Gabriela Fuhr, Telefon: +49 611 75 4323, Kontaktformular
(Quelle: Pressemitteilung von DESTATIS vom 7.8.2012)